Ein morbider Trick, den meine Klienten lieben
Stell dir vor, du bist tot
Philipp Kroiss


Diese Technik nennt sich die „Grabrede“ und ist etwas morbide und skurril.
Meine Klientinnen und Klienten lieben sie.
Ich auch.
Stell dir vor, du hast ins Gras gebissen
Traurig stehen deine engsten Freunde und Verwandten um deinen Sarg herum.
Der Geistliche hält die Grabrede und teilt 3 Dinge, für die du in Erinnerung bleiben wirst.
Wie sollen sie lauten?
Denke gut darüber nach
Und schreibe diese 3 Dinge nieder.
(Es können natürlich auch mehr sein.)
Und? Löst das Ergebnis etwas in dir aus?
Die LeistungssportlerInnen, die ich in meinen 1-zu-1-Trainings betreue, stehen meistens stark unter Druck.
Druck, den sie sich vor allem selber machen.
Druck, der zu einem großen Teil auch davon kommt, dass ihnen ihr Sport so wichtig ist.
Sie wünschen sich so sehr, dass sie erfolgreich sind und dass Andere (Freunde, Eltern, Mitspieler, Trainer, Fans, …) sie als stark und erfolgreich ansehen.
Dann mache ich die Grabrede mit ihnen
Und siehe da:
Nichts von den 3 Dingen, die sie erwähnen, hat mit dem Leistungssport zu tun.
Sie wollen nicht als „unglaublich geile/r SportlerIn“ in Erinnerung bleiben.
Stattdessen wünschen sie sich ...
... dass man sie als gute Freundin oder großartigen Zuhörer im Herzen behält.
Dass man sich an die starken Werte erinnert, die sie verkörperten.
Dass die Leute am Begräbnis viele lustige und sentimentale Geschichten über gemeinsame Erlebnisse erzählen.
Der Leistungssport ist im Rückblick ...
.. auf einmal komplett unwichtig.
Obwohl er in ihrem gegenwärtigen Leben omnipräsent und omnibedeutend ist …
Ich entlasse sie mit der Grabrede verblüfft zurück in ihren Alltag.
Und rufe ihnen bei zukünftigen 1-zu-1-Sessions, wenn sie wieder einmal wie Gefangene unkontrolliert im Gedankenkarussell der Versagensängste und des Nicht-Genug-Seins rotieren, die 3 Dinge, die sie bei der Grabrede erarbeitet hatten, zurück, um sie durch diese wohltuende Relativierung aus ihren mentalen Selbstzerfleischungs-Strudel herauszuholen.
Hast du die Grabrede bereits praktiziert?
Welche 3 Dinge würden dir in den Sinn kommen?
FOTO: Aude Larjaud